Die Halle des TV 03 ist mehr als nur eine Turnhalle für Selzen …

Anbei die Geschichte unserer Halle und ein Abriss der aktuellen Instandhaltungsarbeiten:

Historische Darlegung der Halle mit Fotos der Umbaumaßnahmen

Die erste ordentliche Generalversammlung des TV 03 Selzen wurde am 1.3.1903 abgehalten. Noch fehlten die Übungsmöglichkeiten und man musste oft die Trainingsstätten wechseln. Höfe oder Wiesen dienten als Fest- und Übungsstätten. Es dauerte 25 Jahre bis dann 1927 endlich konkrete Pläne für eine eigene Halle angegangen und umgesetzt wurden. In einer heute als historisch zu bezeichnenden Versammlung beschloss man damals mit 83 gegen 38 Stimmen, aus dem Material von zwei Fliegerhallen, die im hessischen Goddelau zum Verkauf standen, eine Turnhalle zu bauen. Recht abenteuerlich hören sich heute die Geschichten vom Transport des Baumaterials und vom Bau der Turnstätte an: Mit dem Fahrrad und wenn notwendig mit Pferdefuhrwerk, fuhren die Turner nach Goddelau, bauten die beiden Hallen ab und verluden sie auf Waggons. Mit der Bahn gelangten die Teile zum hiesigen Bahnhof. Vom Bahnhof wurden diese dann mit Pferdegespannen zur Baustelle gebracht. Zimmermeister Peter Windisch setzte sich mit der grandiosen Dachkonstruktion der Halle selbst ein Denkmal, denn die raffinierte Verzahnung der tragenden Elemente des Gebälks ermöglichte es, ohne einen einzigen Stützpfeiler für die riesige Halle auszukommen. Wahrlich eine Meisterleistung für die damalige Zeit.

Abbildung 1: Hallenbau und Hallenweihe

Die Turnhalle diente jedoch nicht nur als Übungsstätte, sondern erwies sich als idealer Raum für die unterschiedlichsten Gelegenheiten. So wurde sie fast 40 Jahre –  bis zum Bau der VG-Halle in Hahnheim 1967 – als offizielle Turnhalle für den Schulsport genutzt.

Das Gebäude, obwohl es sehr solide erstellt wurde, bedurfte es in den Jahren ständiger Renovierungs- und Ausbesserungsmaßnahmen.

1964: Einbau einer Heißluftheizung anstelle zwei Kanonenöfen

1975/76:Erweiterungsbauten für Dusch- und Geräteräume und einem Thekenraum

1987 Erneuerung des Hallenbodens

1990-1993 Großer Hallenumbau und Sanierung, größtenteils in Eigenleistung

2000 Sanierung des Parkett Schwingbodens und neue Heizungsanlage

2003 Außenanstrich und 100 jähriges Jubiläum

 

Abbildung 2: aktuelle Frontansicht

Feierlichkeiten in den 70er bis 90er Jahren

Nach den Erweiterungsbauten in den 70ziger Jahren, gab es für die Turnhalle universelle Verwendung. Neben dem eigentlichen Turn- und Sportbetrieb wurde die Halle oft auch als Theaterplatz für heitere und ernste Stücke, Konzerthalle für Musiker und Sänger, Marktplatz für Aussteller und Hobbykünstler, Wahllokal für regionale und überregionale Wahlen, Tanz- und Gaststätte für Vereins- und Dorffeste, Sitzungslokal für Fastnachtssitzungen, Musik- und Tanzlokal für Disko- und Live-Musik, Sitzungssaal für die Vereinsführung genutzt. Kurz gesagt, die Turnhalle war der kulturelle Mittelpunkt in Selzen, der mit unzähligen ehrenamtlichen Stunden am Leben gehalten wurde.

Leider zeigte sich nach der Jahrtausendwende, dass die Halle nicht mehr konkurrenzfähig, gegenüber neuen modernen Hallen in der näheren Umgebung war und Veranstaltungen weitgehend ausblieben.

Bestandsaufnahme der Sanierungsbedürftigkeit

Im Dezember 2013 beschloss der damalige Vorstand, die weitere Sanierung der Turnhalle anzugehen, um die 2010 u.a. angefangene Sanierung der Umkleideräume abzuschließen. Seit 2010 waren schon keine Umkleideräume mehr zugänglich und damit gab es seitdem keine Duschmöglichkeiten.

Schnell stellte sich heraus, dass an vielen Ecken weiterer Handlungsbedarf bestand. Die Heizkosten waren zu hoch, da die Wärmedämmung nicht ausreichend war, es gab kein barrierefreien Zugang zur Halle oder den Toiletten. Im Keller unter der Bühne zeigten sich dicke Risse im Gemäuer und die Rückwand der Halle sah auch für den Laien nicht gut aus.

Schließung der Halle in 2014

Im Januar 2014 gab es dann den ersten Besuch des Architekten Herrn Diehl. Nach ausführlicher Begehung wurde ein Statiker hinzugezogen. Am Freitag den 7.3.2014 gab es dann einen schwarzen Freitag für den Turnverein. Morgens um zehn, trafen sich Herr Adam, der Statiker, Herr Diehl und 5 Vorstandsmitglieder zur Begutachtung der Halle. Die Risse im Kellergeschoss und die Rückwand an sich, die bei näherer Betrachtung mehr an ein menschliches Rückgrat mit Lordose und Kyphose erinnerte, als an eine stabile Wand, machte dem Statiker am meisten Bedenken.

Auch die auffällige Dachkonstruktion wurde genauestens untersucht und auch bewundert, aber noch für gut befunden.

Es muss kurz vor 12 gewesen sein, als die ohnehin schon besorgten Gesichter von Herrn Adam und Herrn Diehl, sehr nachdenklich waren, als der Vorstand fragte, ob wir die Halle noch benutzen dürfen.

Die Antwort war leider negativ und zwar mit sofortiger Wirkung.

Mit Darlegung der Geschichte der Halle und deren Bedeutung für das Dorf, s.o. kann man den Aufschrei und die Bestürzung unter den älteren Selzer Bürgern nachempfinden.

Umlegen fast aller Sportangebote in umliegende Hallen

Es war die sofortige Wirkung die uns am meisten Kopfzerbrechen machte, da am nächsten Tag die Jahrestagung Wandern in der Selzer Halle ausgerichtet werden sollte. Es zeigte sich glücklicherweise, dass das Dorf Selzen in der Not zusammenhält und wir hatten nur wenige Stunden später die Zusage des Radsportvereins die Veranstaltung in derer vereinseigenen Halle stattfinden zu lassen.

Am selben Tag begannen wir für die Sportgruppen Alternativen zu suchen. Nach nur zwei Tagen stand der Notfallplan und wir konnten auf folgende Lokalitäten ausweichen.

Radsporthalle Selzen: Badminton und Kinderturnen (Leider war diese Halle für uns nur bedingt geeignet, da es keine Bodenhülsen und keinen Geräteraum gab)

Schulturnhalle Hahnheim: Zumba, Gymnastikgruppe1, Linedance und Eltern-Kind-Turnen

Sickinghalle Köngernheim: Gymnastikgruppe 2

Schulturnhalle Undenheim: Erwachsenenturnen in Symbiose mit der dortigen Turngruppe

Sängerheim: Gymnastikgruppe 3

Gemeindehalle Hahnheim: Linedance und Kindertanz

Neuorganisation Sportangebot

Insgesamt mussten wir nur 3 Gruppen einstellen, für die wir keine Trainingsmöglichkeiten mehr finden konnten. Diese Kinder konnten aber ähnliche Angebote wahrnehmen.

Turnen für die Krippenkinder: Für die Kinder war leider der Weg nach Hahnheim zu weit

3-4 Jahre: Diese Gruppe wurde mit der Hahnheimer Gruppe zusammengelegt, hier zeigte sich die gute Organisation des gemeinsamen Kinderturnclubs.

Kinderturnen: die Radsporthalle war nicht geeignet, daher haben wir die Kinder auf das Ganztagesangebot der Schule verwiesen.

Beauftragung verschiedener Gutachten

· Erstellung eines Gutachtens zum Schadenumfang der Halle.
· Durchführung von ergänzenden Bauteilöffnungen zur weiteren Schadensbeurteilung.
· Beurteilung des Brandschutzes der Halle.
· Beauftragung eines Bodengutachtens, um zu beurteilen, in wie weit das Schadensbild von den Geländegegebenheiten an der Selz beeinflusst wird.
· Beauftragung eines Gutachtens zu einer möglichen energetischen Sanierung.
· Erstellung eines von einem Prüfstatiker geprüften Konstruktionsplanes zur Sicherung der Standsicherheit.
· Einholen von Angeboten für die zur Wiedereröffnung notwendigen Baumaßnahmen.

Abbildung 3: Rückansicht mit offensichtlichen Schäden

Abbildung 4: Riss an der Rückwand

Abbildung 5: Begutachten des Hallengebälks durch den Statiker

Abbildung 6: verfaulter Balken an der Seitenwand

Standsicherheitsmassnahmen

Abbildung 7: Die Erdarbeiten beginnen

Abbildung 8: Die Zimmermannsarbeiten beginnen

Abbildung 9: Das fertige Korsett für die Rückwand

Abbildung 10: Austausch des verfaulten Balkens

Abschließende Aufräumarbeiten und Wiedereröffnung der Turnhalle

Nach den Facharbeiten durch den Erdbauer und der Zimmerei, blieben dem Vorstand mit Hilfe der Mitglieder nun die Fein- und Aufräumarbeiten, bevor die Halle wieder in Betrieb genommen werden konnte. Dies verschlang nochmals 160 ehrenamtliche Stunden, aber dann konnten wir zum Sommerfest am 4. Juli mit den ersten Kindern wieder in die Halle um Teilleistungen des Sportabzeichens abzunehmen. Ganz fertig sind wir noch nicht, so fehlt immer noch eine stabile Absperrung für die Bühne, die uns nun untersagt ist zu betreten.

Abbildung 11: Verschließung der geöffneten Bauteile, im Hintergrund die Innenseite der Rückwand

Abbildung 12: gemeinsames Putzen des Hallenbodens

Abbildung 13: verdiente Erholung nach dem Putzen

Abbildung 14: Überreichung der Urkunden am Sommerfest, im Hintergrund ist die Turnhalle zusehen

Abschluss und Aussicht

Selzen ist als Dorf mit drei eigenen Sportstätten

1)      Sportplatz -> Spielvereinigung Selzen
2)      Radsporthalle -> RSV Selzen
3)      Turnhalle Selzen -> TV 03 Selzen)

ein Unikat im rheinhessischen Raum. Alle anderen Dörfer in der Verbandsgemeinde können entweder auf eine Schulsporthalle zurückgreifen oder auf eine Gemeindehalle. In beiden Fällen sind die Vereine von den Betriebskosten weitestgehend entlastet.

Wir haben mit den Standsicherheitsmaßnahmen an der Selzer Turnhalle die Freigabe des Prüfstatikers, die Halle für weitere 5 Jahre zu benutzen. Dem Vorstand und auch den Mitgliedern ist klar, dass 5 Jahre nicht viel für eine vorrausschauende Planung sind.

Der TV 03 Selzen hat das ehrgeizige Ziel in absehbarer Zeit den Selzer Bürgern eine neue Halle in eigener Gemarkung zur Verfügung zu stellen. Wir wissen auch, dass dies nicht mit eigenen Mitteln zu finanzieren ist und wir sind in Gesprächen mit möglichen Partnern um Synergieeffekte bestmöglich zu nutzen und die Kosten für die Mitglieder und damit auch das Risiko für den Vorstand im vertretbaren Rahmen zu halten.

Der Kinderturnclub Selzbogen ist hier ein positives Beispiel wie der Verein durch Kooperation Synergieeffekte nutzen und ein breiteres Angebot für die Kinder anbieten konnte.